Augenreizungen und Atembeschwerden auftreten. Die Ursache ist ein Kontakt mit den giftigen Haaren der Raupe des Eichenprozessionsspinners (Thaumetopoea processionea). Die Raupen dieser Schmetterlingsart kommen ab Mai in einigen Gegenden Deutschlands verstärkt vor. Die feinen Härchen älterer Raupen enthalten das Nesselgift Thaumetopoein. Gelangt dieses Gift in den menschlichen Körper, wird Histamin freigesetzt, ein wichtiger Botenstoff für allergische Reaktionen. Der Kontakt mit den Raupenhaaren führt daher zu allergieähnlichen Symptomen: Hautausschlag mit Brennen, Juckreiz, Rötungen und Quaddelbildung (Raupendermatitis) und allgemeines Unwohlsein. Auch Augen- oder Rachenentzündungen treten manchmal auf. Werden die Nesselhaare eingeatmet, können schmerzhafter Husten und Asthma die Folge sein. In Einzelfällen kommt es sogar zu einem allergischen Schock mit Todesgefahr. Die Gefahr einer Raupendermatitis besteht von Mai bis November.

Finger weg von haarigen Raupen

Der Präsident des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen (ÄDA), Professor Dr. Thomas Fuchs von der Universitäts-Hautklinik Göttingen, erklärt: „Es handelt sich bei der Raupendermatitis um eine Pseudo-Allergie, eine so genannte toxisch-irritative Hautschädigung. Seit einigen Jahren weiß man allerdings, dass auch allergische Reaktionen möglich sind. Bei den Betroffenen kommt es anscheinend häufiger zu schweren Symptomen bis hin zu einem allergischen Schock.“ Fuchs rät, die Umgebung von Eichen mit Raupennestern zu meiden und auf keinen Fall die Raupen oder ihre Nester zu berühren. Als Sofortmaßnahme nach dem Kontakt mit Raupenhaaren empfiehlt er, die Kleider zu wechseln, zu duschen und sich die Haare zu waschen. Die Kleider müssen anschließend ebenfalls gewaschen werden. Wenn Hautausschlag, Atemnot oder andere allergieähnliche Symptome auftreten, sollte ein Facharzt aufgesucht werden.

Raupenhaare verbreiten sich auch mit dem Wind

Der Eichenprozessionsspinner ist ein unscheinbarer Schmetterling, dessen Weibchen ihre Eier ausschließlich in Eichen ablegen. Die ab Anfang Mai schlüpfenden Raupen ernähren sich von Eichenlaub und können durch Kahlfraß große Schäden verursachen. Ältere Raupen leben ab Mitte Juni in so genannten Gespinstnestern, von wo aus sie sich wie in einer Prozession gemeinsam auf Nahrungssuche begeben. Der Kontakt mit dem Nesselgift erfolgt durch Berührung von Raupen oder deren Nester. Die Nesselhaare der Raupen besitzen eine lange Haltbarkeit. Deshalb können auch unbewohnte Nester oder das Umfeld der Nester eine anhaltende Gefahrenquelle sein. Da die giftgefüllten Raupenhärchen schnell abbrechen, werden sie zudem leicht mit dem Wind verbreitet. Hautbeschwerden oder Atemprobleme können daher auch in einigem Abstand von den Raupen auftreten. Der Stuttgarter Hautarzt Dr. Reinhard Leitz behandelte Betroffene, bei denen es im Sommer durch das geöffnete Fenster ihrer Büroräume zu einem Befall mit Raupenhaaren und Beschwerden gekommen war.1

Eichenprozessionsspinner fressen Eichen kahl

In diesem Jahr ist in einigen Regionen Deutschlands ein verstärktes Auftreten der giftigen Raupen beobachtet worden. Professor Dr. Alfred Wulf von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) in Braunschweig erklärt: „Der vermehrte Befall von Eichen mit den Raupen des Eichenprozessionsspinners in diesem Jahr ist wahrscheinlich eine Folge des warmen Sommers im Jahr 2003.“ Die wärmeliebenden Raupen kommen allerdings nicht überall in Deutschland vor. Wulf berichtet, dass vor allem in Bayern im Bereich der Fränkischen Platte zwischen Schweinfurt, Würzburg und Ansbach, am Niederrhein, in Sachsen-Anhalt und in Brandenburg verstärkt Baumschäden aufgrund von Raupenfraß beobachtet wurden. Auch in Hessen, Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz kommen die gefräßigen Raupen vor.

Die Hautärzte Dr. Michael Arnold und Dr. Reinhard Leitz aus Stuttgart haben in diesem Jahr bereits zwanzig Patienten mit einer Raupendermatitis behandeln müssen. Bei einigen der Betroffenen war es sogar zu einer Blasenbildung gekommen. Zur Behandlung der Beschwerden setzen die Hautärzte kortisonhaltige Salben, Augentropfen und antiallergische Medikamente, so genannte Antihistaminika, ein. Bei Atembeschwerden hilft die Inhalation von bronchialerweiternden und entzündungshemmenden Präparaten. „Zum Schutz anderer Personen wurde in Stuttgart die Feuerwehr alarmiert, die mit Schutzanzügen ausgerüstet die befallenen Eichenbäume abgeflammt hat“, erklärt Arnold.

Quellen:
1 Leitz N, Arnold M, Leitz R: Raupendermatitis durch Eichenprozessions-spinner. Der Deutsche Dermatologe 2003; 9:684-685