Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten gemacht. Der Ärzteverband Deutscher Allergologen (ÄDA) und die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAI) warnen davor, sich auf die Ergebnisse dieser kostenpflich-tigen Tests auf IgG oder IgG4 zu verlassen: Im Gegensatz zur Untersuchung von spezifischen IgE-Antikörpern lassen sich mit IgG-Tests keine Allergieauslöser nachweisen.

Häufig verlängert das Vertrauen auf die Ergebnisse der Tests und die damit verbundene Empfehlung, angeblich Allergieauslösende Nahrungsmittel zu meiden, sogar das Leiden der Betroffenen. Das zeigt der Fall der heute vierzigjährigen Marita Schröder*. Sie litt zwanzig Jahre lang immer wieder an chronischer Nesselsucht (Urtikaria) mit juckenden Hautausschlägen. Auslöser einer Nesselsucht können, allerdings eher selten, Allergien auf Nahrungsmittel sein. Einen allergologisch ausgebildeten Facharzt konsultierte die Frau jedoch zunächst nicht. Sie ließ auf eigene Kosten einen IgG-Test machen. Das Ergebnis: Anscheinend lag eine Allergie auf 44 verschiedene Lebensmittel vor. Die Empfehlung nach dem teuren Test lautete: Alle positiv getesteten Lebensmittel weglassen. Marita sollte also zukünftig Milch, Käse, Joghurt, Hühnereier, Zucker und Hefeprodukte weglassen. Außerdem musste sie auf diverse Gemüse und Früchte wie Erbsen, Bohnen, Radieschen, Nektarinen, Ananas und Papaya verzichten. Aber eine Besserung brachte diese einseitige Diät nicht.

Mit IgG-Tests sind Allergien nicht feststellbar
Erst als die Patientin sich schließlich in der Universitäts-Hautklinik Göttingen untersuchen ließ, wurde die Ursache der Nesselsucht entdeckt. „Wir stellten bei der Patientin eine Allergie auf Blütenpollen und damit verbunden eine Kreuzallergie auf Nüsse, Kernobst und bestimmte Gewürze fest. Die Hautprobleme hatten ihre Ursache in der Kreuzallergie. Eine Allergie auf die Liste von Nahrungsmitteln, die der IgG-Test ergeben hatte, bestand dagegen eindeutig nicht“, schildert der Allergologe und Hautarzt Professor Dr. Thomas Fuchs das Untersuchungsergebnis. „Die Patientin hätte sich viel Leid und auch Geld erspart, wenn sie früher einen auf Allergien spezialisierten Arzt aufgesucht hätte.“

Professor Dr. Thomas Werfel von der Hautklinik der Medizinischen Hochschule Hannover erläutert, warum IgG-Tests keinen Anhalt für Allergien liefern: „Blutuntersuchungen auf spezifisches IgG zeigen keine Krankheit an, sondern spiegeln nur die ganz normale Auseinandersetzung des Immunsystems mit bestimmten Substanzen wider. So sind bei jemanden, der viel Milch trinkt, ganz natürlich auch viele spezifische IgG-Antikörper gegen Milch im Blut nachweisbar und ein IgG-Test fällt positiv aus, obwohl keine Allergie auf Milcheiweiß vorliegt. Tests auf IgG machen zur Abklärung von Nahrungsmittel-Allergien oder Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten wirklich keinen Sinn. Sie kosten nur unnötig Geld.“

Gefahr einer Mangelernährung gerade bei Kindern groß
Den Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB) erreichen jede Woche etliche Anfragen von Menschen, die viel Geld für einen IgG-Test bezahlt haben, ohne dass ihnen das Ergebnis in irgendeiner Weise genutzt hat. „Mit dem Testergebnis wird eine Liste der zu meidenden Lebensmitteln verschickt, die viele Fragen aufwirft. Eine individuelle Beratung erfolgt nicht und auch nicht die Empfehlung, einen Allergologen zu Rate zu ziehen,“ kritisiert Sonja Lämmel vom DAAB das Vorgehen der Firmen, die IgG-Tests anbieten. Sie sprach mit einer Mutter, bei deren Kind angeblich eine Allergie auf 64 verschiedene Nahrungsmittel festgestellt wurde und die unter Tränen klagte, dass sie nicht mehr weiß, wie sie ihr Kind überhaupt noch ernähren soll. „Gerade bei Kindern besteht durch das Weglassen vieler verschiedener Nahrungsmittel die Gefahr von Mangelernährung und Essstörungen“, warnt Lämmel.

Mit Nahrungsmittel-Allergien zum Allergologen
An einer Nahrungsmittel-Allergie leiden etwa 1 bis 2 Prozent der Erwachsenen und 3 bis 4 Prozent der Kinder in Deutschland. Häufige Symptome sind Missempfindungen und Schwellungen im Bereich der Mundschleimhaut, Hautveränderungen und Übelkeit oder Erbrechen. Am häufigsten treten Nahrungsmittel-Allergien als Kreuzallergie auf: Viele Heuschnupfen-Patienten reagieren mit Juckreiz in Mund und Rachen nach dem Essen von Nüssen oder Kernobst, weil darin ähnliche Eiweiße vorkommen wie in bestimmten Pollen. Neben antiallergischen Medikamenten kann bei Kreuzreaktionen zu Birkenpollen eine spezifische Immuntherapie helfen. Diese auch als Hyposensibilisierung oder „Allergie-Impfung“ bezeichnete Behandlung hat bei Heuschnupfen Erfolgsraten bis zu 90 Prozent. In Göttingen wird daher nun getestet, ob eine spezifische Immuntherapie auch Marita sowohl von ihrer Pollenallergie als auch von ihrer Nesselsucht befreien kann.

Bei Verdacht auf eine Nahrungsmittel-Allergie sollte ein auf Allergien spezialisierter Arzt aufgesucht werden. Er weist die Allergieauslöser mit Hauttests und mit der Bestimmung spezifischer IgE-Antikörper nach. Nur die Untersuchung dieser Antikörper ist relevant bei Allergien und wird auch von den Krankenkassen bezahlt. Die fachärztliche Diagnostik ist wichtig für eine wirkungsvolle Behandlung. In schweren Fällen erhalten die Patienten ein Notfallset mit antiallergischen Medikamenten, denn mit Nahrungsmittel-Allergien ist nicht zu spaßen. Sie können durch einen allergischen Schock lebensgefährlich werden.