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Allergie durch Antibiotika und Impfungen? Viel Lärm um wenig
Die Diskussion läuft schon ewig: Antibiotika, fiebersenkende Medikamente und Impfungen werden verdächtigt, bei Kindern Allergien zu begünstigen. Insbesondere viele Antroposophen, also Menschen, die nach der Lehre Rudolf Steiners (1861-1925) leben, stehen den Medikamenten und Impfungen deshalb skeptisch gegenüber und verzichten darauf. Das Journal of Allergy and Clinical Immunology hat jetzt eine neue Studie zu diesem Thema veröffentlicht1 – Klarheit bringt sie allerdings nicht. Die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI) und der Ärzteverband Deutscher Allergologen (ÄDA) sehen auch weiterhin keine Hinweise dafür, dass Impfungen Allergien fördern. Kinder sollten weiterhin geimpft werden. Auch zur Risiko-Neubewertung von Antibiotikatherapien bei Kindern besteht nach Ansicht der beiden Fachgesellschaften kein Anlass.
In der so genannten PARSIFAL-Studie verglichen Wissenschaftler um Helen Flöistrup vom Karolinska Institut in Stockholm 4.606 Schüler von anthroposophischen Schulen (Waldorf-Schulen, Steiner-Schulen) mit 2.024 Kindern, die normale Schulen besuchten. Die Jungen und Mädchen stammten aus fünf europäischen Ländern und waren durchschnittlich neun Jahre alt. Ihre Eltern wurden gebeten, Angaben zu Allergie-Symptomen und zu ärztlich diagnostizierten Allergien zu machen. Außerdem wurden bei 28 Prozent der Kinder Blutuntersuchungen durchgeführt.
Etwas weniger Allergiker in Steiner-Schulen
Kinder auf Steiner-Schulen litten etwas seltener an allergischen Erkrankungen. Während Ärzte bei sechs Prozent der Kinder auf normalen Schulen Heuschnupfen diagnostiziert hatten, waren es bei Kindern von Steiner-Schulen nur 4,7 Prozent. Für Asthma betrugen die Werte 10,7 (normale Schule) beziehungsweise 9,1 Prozent (Steiner-Schule), für das atopische Ekzem (Neurodermitis) 12,2 beziehungsweise 11,3 Prozent. Diese Differenzen waren zwar klein, aber statistisch relevant. Interessanterweise galten sie nicht für alle untersuchten Länder. Schüler auf österreichischen Steiner-Schulen litten genauso häufig an allergischen Erkrankungen wie Jungen und Mädchen an anderen Schulen der Alpenrepublik.
Elternbefragung und Bluttests widersprechen sich
Zusätzlich wurde untersucht, ob Kinder, die noch nie mit Antibiotika oder fiebersenkenden Medikamenten behandelt beziehungsweise nicht gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) geimpft worden waren, seltener an Allergien erkrankten. Ergebnis: Der Verzicht auf Antibiotika im ersten Lebensjahr schien mit einem etwa halbierten Allergie-Risiko einherzugehen, der Verzicht auf fiebersenkende Mittel mit einer Risikoreduktion um 23 Prozent – jedenfalls gemessen an den Angaben der Eltern zu ärztlich diagnostizierten allergischen Erkrankungen ihrer Kinder. Bei der MMR-Impfung fielen die Ergebnisse widersprüchlich aus: Geimpfte Kinder erkrankten demnach zwar häufiger an Heuschnupfen. Allerdings schienen sie etwas seltener an Asthma und Neurodermitis zu leiden. Kinder, die eine Masern-Erkrankung hinter sich hatten, entwickelten tendenziell weniger oft Heuschnupfen, zeigten aber vermehrt Asthma-Symptome und Neurodermitis. Insgesamt war der Einfluss einer MMR-Impfung beziehungsweise Masern-Erkrankung auf das Allergierisiko gering. Die Ergebnisse der Elternbefragungen müssen außerdem zurückhaltend interpretiert werden – sie ließen sich nicht mit den Ergebnissen der Blutuntersuchungen vereinbaren. Das Auftreten allergietypischer Antikörper im Blut war unabhängig von der Einnahme von Antibiotika, fiebersenkenden Medikamenten und MMR-Impfung. Zumindest Heuschnupfen ist aber ohne diese Antikörper nicht denkbar. Wahrscheinlich waren die Allergien in einigen Fällen also fälschlicherweise diagnostiziert worden.
Impfempfehlungen gelten weiter
Wie sind diese Ergebnisse zu bewerten? „Die Studie wird sicher nicht dazu führen, dass man Antibiotika, fiebersenkende Medikamente und MMR-Impfung jetzt als Risikofaktoren für Allergien einordnet. Unter anderem stellen die widersprüchlichen Resultate von Elternbefragungen und Bluttests die Aussagekraft der Studie in Frage“, antwortet Professor Dr. Thorsten Schäfer vom Institut für Sozialmedizin am Universitätsklinikum Lübeck. Schäfer ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI). In einer Initiative des Gesundheitsministeriums arbeitete Schäfer im Jahr 2005 mit an der wissenschaftlichen Leitlinie „Allergieprävention“. Für diese Leitlinie wurden zahlreiche internationale Studien analysiert und zu Empfehlungen zusammengefasst, auf welchem Weg man Allergien wirkungsvoll vorbeugen kann.2 „Zum Thema MMR-Impfung und Allergie gibt es eine ganze Reihe von Untersuchungen. Sie zeigen wie die neue schwedische Studie widersprüchliche Resultate. In einigen Studien scheint die MMR-Impfung das Risiko für allergische Erkrankungen nicht zu beeinflussen oder sogar zu senken, in anderen Studien scheint sie das Risiko leicht zu erhöhen. Das Gleiche gilt für eine Masernerkrankung. Sie wird mal als Schutzfaktor beschrieben, mal als Risikofaktor.“ Schäfer sieht deshalb aus allergologischer Sicht keinen Anlass, von der MMR-Impfung abzuraten: „Auch Allergie-gefährdete Kinder sollten nach den Empfehlungen der STIKO [Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut, Anm. d. Red.] geimpft werden. Die Gefahren zum Beispiel durch eine Masern-Erkrankung sind sehr real.“ Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) starben im Jahr 2004 weltweit etwa 500.000 Menschen an Masern, die meisten von ihnen Kinder.
Ursächlicher Zusammenhang unklar
Auch in Bezug auf Antibiotika und fiebersenkende Medikamente steht Schäfer den Studienergebnissen skeptisch gegenüber: „Kinder mit Atemwegsallergien neigen auch häufiger zu Infekten der Atemwege. Diese Infekte werden wiederum häufig mit fiebersenkenden Medikamenten oder Antibiotika behandelt, so dass es genauso gut möglich ist, dass die Medikamentengabe Folge der allergischen Erkrankung ist und nicht deren Ursache. Einen Hinweis auf einen ursächlichen Zusammenhang könnten nur Studien liefern, die die zeitliche Abfolge der Medikamentengabe und das Erstauftreten der allergischen Beschwerden sehr genau darstellen können. Da derartige Studien bislang nicht vorliegen, bleibt auch der Zusammenhang zwischen Antibiotika-Gabe und Allergierisiko unklar.“ Sollte sich der Verdacht trotzdem bestätigen, wären die Konsequenzen gering. Schon heute werden Ärzte angehalten, mit Antibiotika möglichst sparsam umzugehen – unter anderem um zu verhindern, dass immer mehr Bakterien gegen die Mittel resistent werden. „Studien zeigen, dass bei einer einfachen Mittelohrentzündung nicht unbedingt Antibiotika verabreicht werden müssen“, so Schäfer. „Schwere bakterielle Erkrankungen aber, wie beispielsweise eine Lungen- oder Hirnhautentzündungen, müssen natürlich entsprechend antibiotisch behandelt werden.“
Lebensstilfaktoren analysieren
Trotzdem hält Schäfer die neue schwedische Studie und die Untersuchung von Kindern, die in anthroposophisch orientierten Familien aufwachsen für sehr interessant. „Diese Familien leben in vielen Punkten anders als andere Menschen. Man kann hier gut den Einfluss von Umweltfaktoren auf das Allergierisiko untersuchen.“ Bei der Interpretation entsprechender Studien sollte der besondere Lebensstil allerdings berücksichtigt werden. In der schwedischen Untersuchung war das nur teilweise der Fall. Weitgehend anerkannte Risikofaktoren wie eine kurze Stillperiode, Übergewicht und die Exposition gegenüber Luftschadstoffen wie Dieselruß blieben in der Auswertung außen vor – obwohl sich anthroposophisch aufgezogene Kinder möglicherweise auch in diesen Punkten von anderen Mädchen und Jungen unterscheiden. Die Frage, warum Kinder auf Waldorf-Schulen seltener an Allergien leiden, bleibt also unbeantwortet. Allerdings zeigt ein erneuter Blick auf die Daten der schwedischen Forscher, dass auch ein anthroposophischer Lebensstil nur geringen Schutz bietet: Sechs Prozent der Kinder auf normalen Schulen litten an Heuschnupfen – auf Waldorf-Schulen waren es immerhin 4,7 Prozent; 12,2 Prozent der Kinder auf normalen Schulen litten an Neurodermitis – gegenüber 11,3 Prozent in Waldorf-Schulen. Die entscheidenden Risiken müssen wohl jenseits der Frage „anthroposophisch oder nicht?“ gesucht werden. Interessanter Nebenaspekt der schwedischen Studie: Eine anthroposophisch ausgerichtete, „biodynamische“ Ernährung beeinflusste das Allergierisiko nicht.
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